1000news.de reloaded 2012 :: Rückwärts in die Zukunft ? Der ARD-Presseclub diskutiert die Wahlen in Russland 4.3.2012

1000news.de reloaded 2012 :: Rückwärts in die Zukunft ? Der ARD-Presseclub diskutiert die Wahlen in Russland 4.3.2012 / Quelle: presseclub.de /ARD-Presseclub / „Eine lupenreine Wahl? Putin und seine Gegner“   /Die Wahlen in Russland geben im Frühjahr 2012 dem deutschen Fernsehzuschauer (auch nach der vom Presseclub der ARD dazu veranstalteten Sendung aus Moskau am 4.4.2012) eine Reihe von Rätseln auf. Nr.1: Wer die russischen Wahlen gewinnen wird, ist von vorn herein keine Frage und es steht schon fest, dass der bisherige starke Mann, Ministerpräsident Wladimir Putin, die Präsidentschaftswahl für sich entscheiden wird. Aber schon bei der zweiten Frage, wie nämlich gewählt wird, erheben sich erneut starke Zweifel an der demokratischen Durchführung.

Ist das eine Wahl nach unserem Verständnis?“ hat sich deshalb auch die Presseclub-Redaktion gefragt (Zitat Schönenborn)  und auch die diesmal in Moskau versammelte Diskussionsrunde der Journalisten übt sich im Abwägen und Bewerten der offensichtlichen Widersprüche, die sich aus dem Thema ergeben.
Nach westlichem Muster jedenfalls scheint es nur in der Hauptstadt und einem beschränkten Teil des Landes zuzugehen, wenn in Russland gewählt wird (Wahlbeobachter, Kameraüberwachung der Wahlurnen z.B.) und es darf in Maßen auch diskutiert und demonstriert werden. Beim zweiten Blick auf die russischen Wahlen jedoch stellen sich erstaunliche Mängel ein. Da gibt es keine Werbung der Kreml-Partei, keine Diskussion mit Opposition und Regimekritikern, große Massenbewegungen von regierungstreuen Demonstranten in der Hauptstadt und  einen in den Medien allgegenwärtigen Ministerpräsidenten und Hauptkandidaten mit eindeutig sicheren Chancen, der mit der bevorstehenden Wiederwahl auch gleich die Amtszeit des Staatspräsidente verlängern lässt.

Als wichtiger Handelspartner des Westens und insbesondere Deutschlands gibt man sich in Moskau heute nach außen hin demokratisch und modern, kann aber den Anspruch der jüngeren und gut ausgebildeten Russen nach echtem ökonomischen Fortschritt, nach Demokratie und Rechtsstaatlichkeit (Menschenrechte) westlicher Ausprägung nicht erfüllen. Während der materielle Wohlstand und die Sicherheit am Arbeitsplatz unter Putins Regierung für die einen gestiegen ist (Staatsdienst, Unternehmer, Armee etc.), sind andere Bevölkerungsgruppen krass benachteiligt und ohne Anteil am Reichtum Russlands, der weniger auf Industrie- oder Landwirtschaftsproduktion als auf dem Export von Rohstoffen beruht (Abhängigkeit vom Ölpreis).

Ob die Wahlen in Russland im März 2012 wirklich neue Verhältnisse bringen werden („Putin 2.0“) oder vielmehr das alte System bestätigt und mit modernem Anstrich ausgebaut wird, wollen die Russland-Fachleute im ARD-Presseclub am 4.3.2012 (Ina Ruck, Christien Esch, Anastasia Gorokhova, Wladimir Kondratjew, Moderation: Jörg Schönenborn) nicht vorhersagen.  Zwischen massiven Belastungen des Staatshaushalts durch militärische Interventionen und Krieg (Afghanistan, Tschetschenien) in der Vergangenheit, strategischen Bindungen an autoritär oder diktatorisch gelenkte Staaten (Außenpolitik, Syrien 2012), energiepolitischen Versäumnissen (Stromausfall in Moskau), einer fragilen Infrastruktur (Exportabhängigkeit, Verkehr, medizinische Versorgung, Bildungssystem u.a.)  und krassen Umweltproblemen (Vergiftung der Atemluft durch Industrieproduktion), massiver militärischer Nachrüstung (600 Mrd. US-Dollar in Planung), weiter wirksamen politischen Altlasten aus Kommunismus, KGB und Korruption und einem deutlichen Mangel an demokratischem Selbstbewusstsein in großen Teilen der Bevölkerung  (Vertrauen auf den ’starken Mann‘, politische Diskriminierung und Verfolgung von Regimekritikern)  scheint Russland sich 2012 mit der Demokratie und ihren Anforderungen noch nicht wirklich arrangiert zu haben. (c) 1000news.de 2012    / Lesen Sie weiter auf >>  presseclub.de / 3sat.de, makro TV /
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Presseclub (WDR): „Eine lupenreine Wahl? Putin und seine Gegner
Am Sonntag wird in Russland ein neuer Präsident gewählt. Schon jetzt scheint sicher, dass Wladimir Putin diese Wahl gewinnen wird. Alles andere als sicher ist die Zukunft des Landes. Die Reichen schaffen ihr Geld ins Ausland, der Mittelstand verlangt Reformen, die Arbeiter sorgen sich um ihre Jobs. Nach der Rückkehr in den Kreml muss der alte und neue starke Mann Russlands das Wirtschaftsmodell seines Landes neu erfinden.
Staatsmacht ist angekratzt. Die Massendemonstrationen haben das Putin-Regime tief getroffen. Keine leichte Aufgabe, denn die Staatsmacht ist angekratzt. Massendemonstrationen, vor allem in den Städten, haben das erfolgsverwöhnte Putin-Regime tief getroffen. Die Proteste kommen vor allem vom neuen Mittelstand. Mehr Demokratie, weniger Staat, mehr Wettbewerb – das sind ihre Forderungen. Wie stark ist diese Opposition und wie wird der neue Präsident damit umgehen? Eine lupenreine Wahl? Wer sind Putins Gegner? Darüber diskutiert WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn am Sonntag im ARD-Presseclub live aus Moskau mit seinen Gästen.(..)“